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Lenz Von Georg Büchner

Termin

Freitag, 13.11.2020 | 19.30 Uhr

Weitere Termine

Spieldauer

ca. 01:30 Std.

Spielort

Kapelle

Preis

19,50 € pro Person
erm. 7 € pro Person

Kategorie

Beschreibung

„Die Welt hatte einen ungeheuren Riß.“ Mit diesen Worten lässt Georg Büchner den Sturm-und-Drang Dichter Jakob Michael Reinhold Lenz auf die Welt blicken und begleitet ihn auf seinem Weg entlang der Bruchkanten. Die Erzählung „Lenz“ aus dem Jahr 1835 gilt als der Beginn der modernen deutschen Prosa. Sie ist die Geschichte eines Menschen, der sich zunehmend selbst verliert.

Von Goethe aus Weimar verbannt und auf der Flucht vor den Disziplinierungsmaßnahmen seines Vaters sucht Lenz Ruhe in der Natur und beim Pfarrer und Sozialreformer Oberlin, der ihn am 20. Januar 1778 in Waldbach nahe Straßburg in seinem Haus aufnimmt. Doch statt die Abgeschiedenheit zu genießen, wird Lenz mehr und mehr von Stimmen und Halluzinationen verfolgt. Sein Glaube und sein intensives Naturerleben steigern sich bis zum Wahn, eins werden zu müssen mit allen Dingen der Schöpfung. Die Krankheit Lenzens nimmt ihren Lauf – zugleich wächst aber auch sein Widerstand gegen all jene, die ihre Sinne durch allzu sture Alltagsbeschäftigungen betäuben und damit die Empfänglichkeit für die Schönheit des Augenblicks in der Welt verlieren. Im Spannungsfeld zwischen Verrücktheit und Verweigerung „lebt er hin“ – und hat sich dennoch aus der Welt, wie sie scheint, verabschiedet.

So sehr Lenz mit seiner Sprache die Welt begreifen, umfassen und in eine Ordnung zwingen will, so sehr zerbricht sie ihm nach und nach und zerfällt wie Büchners Text ins Bruchstückhafte. Die Entfremdung des Subjekts in einer Welt sozialer Ungerechtigkeit und der Widerstand gegen ein System repressiver Autoritäten sind auch die Themen, die den 22-jährigen Büchner mit Lenz verbinden; ebenso wie das Eintreten für eine Kunst, die die Menschen mit ihrer realistischen Lebenswirklichkeit ins Zentrum stellt.

Mit Zitaten von Ludwig Wittgenstein: Tractatus Logico Philosophicus (1918)

Eine Kooperation mit dem moers festival.

Galerie

Fotograf/in: Kristina Zalesskaya

Pressestimmen

Schauspieler Roman Mucha bewegt sich in einem Bungeseil durch den Raum, springt, gleitet über den Boden, den er mit Kreide vollkritzelt. Die Kapelle, in der das schauende Dutzend auf zwei Etagen sitzt, ist ein perfektes Bühnenbild für die Geschichte über den Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz, der im Gebirge beim Pfarrer Oberlin gegen den Wahnsinn kämpft – und ihm manchmal lustvoll erliegt. Begleitet wird der akrobatische und über 90 Minuten hoch konzentrierte Roman Mucha von der Percussionistin Mariá Portugal. Mit mal sanft, mal brutalen Rhythmen, merkwürdigen Geräuschen und am Schluss auch leise summend, begleitet sie Büchners Lenz. Zwischendurch tönen Ausschnitte aus Ludwig Wittgensteins Tractatus Logico Philosophicus vom Band – ein reizvoller Kontrast.
(Stefan Keim, Deutschlandfunk Kultur)

 

Intendant Ulrich Greb hat den Prosatext als Solo für zwei inszeniert. Den grabschwarzen kleinen Kapellenraum regieren Roman Mucha als Schauspieler und Moers’ „Improviserin in Residence 2020“ Mariá Portugal am Schlagzeug – und per Stimme. Portugal ist geisterhaftes Echo, schafft geräuschige Seelen-Perkussion und unheimlichen Sirenengesang. Mucha: berauschend gut, weil er diesem Abgrund von Mensch wirklich alle Farben abzuringen versteht. Und wie er Brüche und Wendungen meistert! Anfangs noch ganz vital, ein rosig-druckvoller Conférencier fast, mit schönen gletscherblauen Augen, der uns verführt, einzusteigen in diesen Express von Wahn und Weltflucht. Dann Verzweiflung, flüchtiges Glück, panische Gottverlassenheit: All das treibt Roman Muchas famoses Spiel, das nicht zuletzt von seiner exquisiten Sprechkultur zehrt, auf einen nie eitlen Gipfel.
(Lars von der Gönna, WAZ)

 

Die Inszenierung nutzt intensiv, aber nie äußerlich die Mittel, verbindet sie dabei durchgehend mit dem Text. Mucha hält fast akrobatische Bewegung und sprachliche Durchdringung der Vorlage bemerkenswert im Gleichgewicht. Er spricht über einen leidenden Lenz, verwandelt sich nicht ihn, bildet ihn aber einfühlsam ab. Der Textvorlage verbunden gelingen der Inszenierung subtile Verbindungslinien in unsere Gegenwart. Ohne oberflächliche Anspielungen verfolgen wir in Krisenzeiten die Krise eines freien Menschen. Die theatrale Anstalt in Moers schafft damit quantitativ minimiert, energetisch und gedanklich aber völlig überzeugend ein starkes Lebenszeichen für eine Kunst aus Körper, Stimme und Zusammenspiel von Bühnenakteuren und Publikum.
(Detlev Baur, Die Deutsche Bühne)