Stimmen zu „Mann ist Mann“

In einer Zeit, in der das Virtuelle sich mehr und mehr vor das Reale schiebt, ist das Konzept von Identität, das schon Brecht in Frage gestellt hat, endgültig brüchig geworden. Mann ist Mann, und Frau ist Mann, und Mann ist Frau. Also wird Galy Gay in Philipp Preuss‘ nur sanft aktualisierter, aber deutlich skelettierter Inszenierung von Marieke Kregel verkörpert. Ein angeklebter Schnurrbart, aufgemalte Bartstoppel und ein gerade in Stressmomenten verstärkt auftretender Sprachfehler reichen der Schauspielerin, um sich die Identität des Packers perfekt anzueignen. …

Dabei hatte Galy Gay bei Preuss durchaus die Chance, sein altes Leben zu behalten und den drei von Frank Wickermann, Patrick Dollas und Matthias Heße verkörperten britischen Soldaten zu entkommen, die ihn als Ersatz für ihren bei einem versuchten Raubzug verloren gegangenen Kameraden brauchen. Marieke Kregel steht in diesem Moment vorne auf der Bühne und wiederholt immer die gleichen Sätze, dass sie gehen könnte, aber vielleicht doch noch gebraucht wird. Währenddessen gehen die anderen im Hintergrund wieder und wieder von rechts nach links und von links nach rechts. Jedes Mal blicken sie kopfschüttelnd und voller Verachtung zu Gay und stöhnen merklich auf. Er soll endlich verschwinden. Doch dazu kann er sich einfach nicht durchringen.

Dieses sinnlose Verharren ist zunächst nur ein grandioser komödiantischer Moment. Doch je länger er währt, desto quälender und bitterer wird er. … Marieke Kregels Galy Gay will seine Identität loswerden und sein bisheriges Leben verlieren. Ein Einzelner zu sein, selbst wenn dieser Einzelne alles bejaht, ist Arbeit und damit anstrengend. Und so liegt in Marieke Kregels Blick eine seltsame Gier, die später, wenn die Soldaten Galy mit einem falschen Geschäft locken, noch einmal aufblitzen wird.

nachtkritik.de, 16.5.2014

 

In der letzten Inszenierung der aktuellen Spielzeit treibt das Moerser Schlosstheater das Thema Inklusion auf die Spitze. Philipp Preuss bringt das Bertolt Brecht-Stück „Mann ist Mann“ mit vielen Effekten auf die Bühne im Schloss.

Kanonen schießen irgendwo ihre Ladung ab, Maschinengewehre im Stakkato ihre Munition. Und ein Hubschrauber scheint im Tiefflug seine Kreise über dem Schloss Moers zu ziehen – so bedrohlich, dass mancher Premierengast am Donnerstag unwillkürlich auf seinem Sitzplatz den Kopf einzieht. Regisseur Philipp Preuss will seinem Publikum das Gefühl geben, mittendrin zu sitzen in dieser Szenerie, die Bertolt Brecht in seinem Stück „Mann ist Mann“ zeichnete. … Die Szenenbilder, die der Regisseur in schneller Abfolge auf die Bühne bringt, wirken wie aus einem erfrischend jungen Videoclip.

Der Regisseur gibt seinen Schauspielern keine Requisiten an die Hand. Mal stellt ein ausgestreckter Arm, mal der Griff in den Schritt das Maschinengewehr dar. … Das Spiel des Ensembles ist pointiert und schnell.

Rheinische Post, 17.5.2014

 

Das Brecht-Stück heißt zwar „Mann ist Mann“, mit dem das Schlosstheater Moers jetzt Premiere feierte, aber die großen Rollen hatten Frauen. … Insofern ist es fast folgerichtig, die Rolle des Galy Gay, der morgens Fisch kaufen geht und abends zur menschlichen Kampfmaschine geworden ist, mit einer Frau zu besetzen. Und mit was für einer. Marieke Kregel hat eine solch großartige Leistung abgeliefert.

Wenn es denn stimmt, dass alle Männer gleich sind, wie es in dem Stück heißt, und nur das eine wollen, wie es in dem Stück reichlich gezeigt wird, dann werden diese allerdings wenig vom Brecht’schen Text mitkriegen. Sondern an Marissa Möller kleben, die in High Heels und mit Schlitz im Kleid eine, sagen wir, recht breitbeinige Leokadja Begbick gibt, ein ziemlich laszives Luder, das sogar dem Satz „Ich könnte einen Elefanten gebrauchen“ Erotik abverlangen kann.

Dass sich Unterhaltung und Haltung nicht ausschließen, hat Bertolt Brecht vorgegeben, Preuss dreht es noch ein bisschen weiter. Wobei dieses „Mann ist Mann“ trotz reichlich Konfetti keineswegs im klamaukigen Abgrund verschwindet.

 nrz, 17.5.2014

 

Super! Eine phänomenale schauspielerische Leistung!
Eintrag im Gästebuch

 

 

 

 

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