In seinem Bericht vom NRW-Theatertreffen 2013 in Bielefeld in der Sendung „Mosaik“ des WDR 3 hat der Theaterkritiker Stefan Keim das Schlosstheater Moers, anhand von „Kein Licht. / Prometheus“ mit folgenden Worten gewürdigt:
„Aber es gibt immer wieder diese kleinen Häuser, – das Schlosstheater Moers ist einfach das beste Beispiel, – die mit ganz wenigen Mitteln unglaublich leidenschaftliche Aufführungen hervorbringen und auch dramaturgisch sehr präzise denken. Also das Schlosstheater Moers ist zu Gast mit einer Kombination aus antiker Tragödie und einem Stück von Elfriede Jelinek. Wir sehen den „Prometheus“, wir sehen dann „Kein Licht“ von Elfriede Jelinek, die Geschichte, die eine Reaktion ist auf die Katastrophe von Fukushima. Einmal der Gott, der den Menschen die Herrschaft über die Welt übergibt, der ihnen die Freiheit gibt, und dann, was die Menschen damit machen, nämlich die Schöpfung in die Katastrophe zu führen. Das finde ich eine tolle Idee. Das wird aber nicht so ganz kunstschwer herausgebracht, sondern in der Inszenierung von Philipp Preuss richtig traschig mit unfassbaren Ideen. Das läuft auch um 23 Uhr, sozusagen als late night perfomance, ein Signal, dass das ein Theater ist, das auch vielleicht ein ganz anderes Publikum, Szenepublikum, interessiert, das sonst nicht unbedingt antike Tragödie und Jelinek gucken würde.“
„Preuss und Wenke stellen der posttraumatischen Fukushima-Verarbeitung von Elfriede Jelinek einen zweieinhalbtausend Jahre alten Klagegesang des Aischylos gegenüber. Prometheus, das sind wir. Die Neunmalklugen, die Naturbezwinger, die Narren. In lächerlicher Glitzertoga die fünf Schauspieler. „Am Ende der Welt sind wir nun“, jammern sie, „in menschenleerer Wüste“, und schmeißen die Arme bebend zum Himmel. Absichtlich peinliches Pathos. Blut und Wasser wird nicht geschwitzt, sondern kommen direkt aus der Flasche. Jelinek lässt die einstigen Bezwinger der Technik in den Tsunamiwellen straucheln und im Wasserstoffnebel stochern. „Wie sollte ein Ausstieg je möglich sein?“ Zu diesen Worten betastet ein Schauspieler suchend die Wand. Der Schluss hat es in sich. Eigentlich nur ein Ballon, der langsam, stetig aufgepumpt wird. Symbol scheinbar unbegrenzten Wachstums und Fortschritts. Doch in dem quälenden Bangen und Hoffen – Platzt er? Hält er? – spiegelt sich spürbar die ganze Misere der Expansionslust. Nach der Katastrophe ist vor der Katastrophe. Gestern, heute und in aller kosmisch-irdischen Ewigkeit.“
(Vasco Boehnisch, Süddeutsche Zeitung, 26. Januar 2013)
„Das Pathos des Prometheus und die kunstvoll mit Banalitäten spielende Sprache Jelineks behandeln überraschend ähnliche Themen, wenn man beide Texte geschickt miteinander kombiniert. Manchmal gelingt dies der Moerser Dramaturgie auf frappierende Weise: „Ist das eine Züchtigung, die da verhängt wurde?“, heißt es einmal: „Dazu hätte man nicht das ganze Meer schicken müssen.“ – Ja, da geht uns auf: Es ist wie eine Strafe Gottes für das unverantwortliche Spiel mit dem Feuer, es ist eine unbarmherzige Racheaktion von Zeus, was da in Fukushima geschehen ist. Da wird der Prometheus tatsächlich zum logischen Vorspiel von Jelineks Kein Licht. Das Moerser Team illustriert diese seltsame Melange mit Musik und wilden Tänzen zu japanischen Texten; Marieke Kregel legt eine wunderbar austriakische Jelinek-Parodie hin, und auf amüsante Weise wird mit der Theater-Situation gespielt. Die Schrecken der Katastrophe, die plötzliche ohrenbetäubende Stille, die Unfähigkeit der fünf Flüchtenden auf der Bühne, Geräusche zu hören, während sie dennoch das Schreien der Opfer wahrnehmen, werden vorgeführt und ironisch unterlaufen. Wir alle schauen dem Nahen der Katastrophe zu, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Und sind zu blind, um uns selbst zu schützen: Matthias Heße findet einmal den Notausgang, bricht einfach durch die Bühnenwand, doch die anderen folgen nicht und bleiben in Gefahr. (…)
Eine überaus sinnfällige Verbindung der Prometheus-Geschichte mit Elfriede Jelineks Kommentar zur Fukushima-Katastrophe. Nicht ohne Wackler balanciert der Abend zwischen Komik, Trash und Nachdenklichkeit.“
(Dietmar Zimmermann, theaterpur.net)
„Regisseur Philipp Preuss, Jahrgang 1974, hat sich nicht beeindrucken lassen und in die Minibühne einen Riesenballon gehängt. Auf ihm ist ein „talking head“ zu sehen, wie er von dem amerikanischen Installationskünstler Tony Oursler stammen könnte.
Augen rollen expressiv hin und her, und der übergroß sich öffnende und schließende Mund lässt unwillkürlich an den nächsten Zahnarzttermin denken. Frank Wickermann steht hinter dem Ballon und schreit Prometheus-Texte aus sich heraus. Sein Kopf ist verdeckt und wird per Videokamera auf die weiße Kugelfläche projiziert. Dann wird es auf einen Schlag dunkel. Kurzschluss. Das Licht springt wieder an. Katja Stockhausen rotzt gerade als Io mit ihrer durchdringend-rauhen, sich manchmal überschlagenden Sophie-Rois-Stimme ein „Herr, versage nicht mir diesen einen Wunsch“ auf die Bühne – dann knallt’s erneut. Noch ein jämmerlicher Versuch, die Zeit zu überbrücken, Stockhausen lässt noch ein „Mein Irren und Wirren“ folgen, das ohne Lautsprecherverstärkung wirkungslos im Dunkeln verebbt, und gibt auf.
Besser hätte man das Thema des Doppelabends, das Scheitern des Menschen mit seinem Versuch, mittels Technik die Natur zu beherrschen, nicht inszenieren können. Ist so im ersten Teil ausgerechnet die Bühnentechnik der Sieger, ist es im zweiten das schauspielerisch-Technische. Zu Jelineks Fukushima-Text „Kein Licht.“ zappeln die fünf Schauspieler im Elastan-Ganzkörperanzug als weiße Fluchtmännchen durch eine grüne Box. Ein außer Rand und Band geratenes Notausgangs-Piktogramm. Bedeutungsvoll werden Zeigefinger in die Luft gestreckt, Arme in die Seite gestemmt oder vor der Brust verschränkt. Reflexhafte Gesten ohne jede Relevanz. Von der Prometheus-Urhorde zum Jelinekschen Automaten. Vor- und Endstufe der Menschheit.“
(Guido Rademachers, nachtkritik.de)